erschienen in der Kolumne „Zwischen Menschen“ in taz. Die Tageszeitung, 31.5.2024

Ich sitze in einem Café auf der Veddel. Die Sonne scheint. Und der Himmel ist blau. Vor mir bauen Menschen Stände für ein Fest auf. Alle scheinen gute Laune zu haben. Ich denke zurück an ein Straßenfest in meinem Viertel, als ich einen Flohmarktstand aufgebaut hatte. An das befriedigende Gefühl, Dinge zu verkaufen. Wie die Sachen meiner Vergangenheit weitergingen an andere und sie sich freuten, wenn sie ein Schnäppchen machten. Wie meine Dinge, die zu Hause in Kisten gesteckt hatten, eine Chance auf neues Leben erhielten.

Angetrieben durch dieses Gefühl hatte ich danach weiter ausgemistet, weggeworfen, Dinge gespendet und Ordnung geschaffen. Es heißt, dass äußere Ordnung auch innere Ordnung schaffe. Es stimmt.

Um mich im Café unterhalten sich ein Mann Ende 20 und eine Frau um die 50 Jahre. Unweigerlich bekomme ich ihr Gespräch mit. Und es scheint, als würde ihre Unterhaltung in Resonanz mit mir gehen, als wäre sie eine Verlängerung meiner Gedanken über Ordnung: „Ich hab’ verschiedene Mail-Adressen. Und die Ämter haben verschiedene Mail-Adressen von mir. Alles geht an Unterschiedliches. Das ist total blöd“, sagt der Mann.

„Ich hab dir gesagt, dass ich dir helfen kann mit Büro“, sagt die Frau.

„Ja, ich habe mir Klarsichtfolien gekauft. Trenner für Blätter, einen Locher. Einen Drucker hätte ich gerne. Ich hab’ noch nicht alles“, sagt der Mann.

Es wirkt, als habe er ein riesiges Aufräumprojekt vor sich. Analog wie digital. Ich denke daran, dass es viele Menschen gibt, die Probleme damit haben, ihr Leben in Ordnung zu halten. Obwohl die meisten oft den Eindruck haben, mit diesen Schwierigkeiten allein zu sein.

„Das ist so blöd mit den verschiedenen Mail-Adressen, dann vergesse ich die Passwörter“, sagt er. „Dann weiß ich nicht mehr, wie ich mich einlogge.“

„Du kannst dir einen Passwort-Manager einrichten“, sagt die Frau. „Dann sind die Passwörter auf deinem Computer abgespeichert.“

„Ja, aber letztens wollte ich mich mit einem anderen Laptop einloggen und dann ging das wieder nicht“, sagt der Mann.

„Du weißt, dass du auch deinen Passwort-Manager von verschiedenen Computern aus abrufen kann“, antwortet die Frau.

„Ja“, sagt er. „Ach, es ist alles kompliziert.“

Ich merke, wie ich selbst ganz unruhig werde, während ich neben ihnen meinen Kaffee trinke und ihr Gespräch mitbekomme. Es ist, als würde ihr Reden schwimmen, sich im Kreis drehen, nach vorn zu einer Lösung laufen und dann wieder zurück. Ein Mäandern, das zu keinem Ergebnis führt. Auf bestimmte Weise bringt das Gespräch eine Form von Unordnung in diesen sonnigen, klaren Tag. Ich schaue mich nach einem anderen freien Platz um und finde keinen. „Man kann mit etwas starten, auch wenn es viel ist und dann macht man Schritt für Schritt weiter und dann wird es vielleicht in einem Jahr besser sein“, sagt die Frau. „Oder man kann alles so lassen.“

„Ich wollte mich eigentlich auch nur beschweren“, sagt der Mann.

„Na gut“, sagt die Frau.

Ich denke, wie reflektiert er ist, dass er das weiß. So viele Menschen erzählen, dass sie mit etwas unzufrieden seien, doch Angebote zur Hilfe nehmen sie nicht an. Als würde es auch bei ihnen vor allem eher darum gehen sich zu veräußern.

Und als die beiden aufstehen, wirken sie froh und miteinander im Einverständnis. Es ist ja auch das, sich zu ordnen. Mit jemanden über die eigene Unordnung zu sprechen.

Vielleicht liegt auch der wahre Akt der Freundschaft darin, jemanden in seiner Unordnung zu akzeptieren, denke ich. Es nicht übel zu nehmen, wenn sich die andere Person nicht ändern kann oder will. So wie es auch im eigenen Leben Phasen der Sortierung, des Aufräumens gibt.

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