Vernissage, Pony Bar, Hamburg, 14.1.2019
Willkommen zu der Vernissage „Kontaktpunkte – Fotografische Begegnungen!
Die Fotos, die hier heute Abend ausgestellt werden, sind im Praxis-Seminar der Fakultät Medienwissenschaften entstanden, das ich dieses Semester an der Uni Hamburg geleitet habe. Elf Studierende haben dabei zu zweit oder allein Fotoserien angefertigt. Aus diesen sind jeweils drei Bilder ausgestellt.
Das Thema dieser Ausstellung ist das Portrait. Und das verbindende Element der Portraitierten ist, dass sie auf verschiedenfache Weise von sich sagen, dass sie sich der jüdischen Kultur zugehörig fühlen.
Die Uni Hamburg liegt neben dem Grindelviertel, wo mehrere jüdische Einrichtungen verankert sind. Daraus entstand die Idee die jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn besser kennenzulernen. Wie leben Jüdinnen und Juden in Hamburg? Es war ein Anliegen, die Personen dabei nicht vorrangig als Juden zu zeigen, sondern als Menschen in ihrem Alltag.
Die Personen, die hier auf den Fotos zu sehen sind, haben sich teilweise nach einem Aufruf an die Jüdische Gemeinde Hamburg bei uns gemeldet. Andere kannten die Studierenden bereits persönlich.
Wir lernten während dieses Seminars, durch welch unterschiedliche Richtungen und Riten sich jüdische Zugehörigkeit bildet. Einer der Portraitierten verglich diese verschiedenen Überzeugungen mit einer Familie, bei der man den Onkel oder die Tante vielleicht nicht mag oder merkwürdig findet, aber dennoch akzeptiert. Man ist eben eine Familie.“ Umso mehr war es ein Anliegen, der Individualität der Portraitierten gerecht zu werden.
„Fotografieren bedeutet teilnehmen an der Sterblichkeit, Verletzlichkeit und Wandelbarkeit anderer Menschen (oder Dinge)“. Das schrieb die Autorin Susan Sontag, mit deren Arbeiten wir uns auch in unserem Seminar auseinandergesetzt haben. Sie meint: „weil Fotos einen Moment erstarren lassen, bezeugen sie „das unerbittliche Verfließen der Zeit.“ Ein Foto hält das Leben scheinbar an und legt es so auf ein bestimmtes Abbild fest. Jedes Foto ist damit ein Zeugnis von Realität – und: es erfindet Realität mit.
Eine Jüdin, die uns im Seminar besuchte, stellte in den Raum, inwiefern wir als Nicht-Jüdinnen und Nicht-Juden berechtigt seien Bilder von Jüdinnen und Juden zu machen. Können wir uns überhaupt ein Bild erlauben?
Ich bin ihr dankbar, dass sie uns für diese Perspektive sensibilisierte. Ich denke nicht, dass nur Zugehörige einer bestimmten Gruppe diese auch fotografieren dürfen. Dennoch:
Ein Bild zu machen ist eine Form der Aneignung. Wer die Verletzlichkeit eines anderen Menschen darstellt, macht sich verantwortlich.
Aber: Eine Aneignung enthält auch etwas Positives: Fotografieren bedeutet teilnehmen – an der Verletzlichkeit anderer Menschen – und an ihrem Leben. Bilder halten fest, dass diese Verletzlichkeit existiert. Sich ein Bild von anderen zu machen, ist ein Angebot, ihnen ein stückweit näher kommen zu dürfen, ein vorgefertigtes Bild zu revidieren, sie vielleicht etwas besser zu verstehen. Deswegen ist es wichtig, sich der Verantwortung bewusst zu sein, wenn wir Bilder machen – und diese Verantwortung immer wieder anzunehmen.
Es schmerzt, das wurde leider auch augenscheinlich, dass in unserer heutigen Zeit, Antisemitismus nach wie vor ein Thema ist, dass Übergriffe auf Juden stattfinden, die sich als solche in der Öffentlichkeit zeigen.
Nicht nur – doch auch gerade deswegen scheint es umso wichtiger, Bilder zu machen, die Menschen unterschiedlichster Kulturen und Glaubensüberzeugungen sichtbar machen – und die ihnen dabei in ihrer Vielfalt gerecht werden.
Fotografieren bedeutet auch, sich Zeit nehmen, Geduld haben, eine Beziehung aufbauen. Die Studierenden haben die Menschen, die sie portraitiert haben, mehrere Male besucht. Dass diese hierfür ihre Zeit hergaben, ist nicht selbstverständlich. Und es ist auch nicht selbstverständlich, dass sie sich dafür geöffnet haben, ein Stück ihres Lebens und ihrer Persönlichkeit zu zeigen.
Umso dankbarer bin ich Ihnen, die sich fotografiert haben lassen, für ihren Mut und ihre Offenheit. Danke, dass Sie sich drauf eingelassen haben!
Und ich bin Euch, den Studierenden dankbar, dass Ihr in diesem Seminar mit offenem Blick losgezogen seid, Vertrauen aufgebaut habt und diese Bilder gemacht habt.
– Herzlich willkommen zu unserer Ausstellung „Kontaktpunkte!“
Foto: Christa Pfafferott